Haydns Jahreszeiten in Italien
Philharmonischer Chor und Philharmonie in Italien
18.05. - 24.05.2002
Pressebericht von Bernhard Fauser
Es war sicher nicht das bedeutendste Konzert, mit dem Hubert Beck in Cervias Badeort Milano Marittima Abschied von dem Orchester nahm, das er 25 Jahre lang leitete, aber zweifellos spürten alle Mitwirkenden eine gewisse Wehmut; und Einiges am letzten Tourneekonzert von Philharmonischem Chor und Philharmonie Schwäbisch Gmünd war doch ziemlich beziehungsreich: In einer Kirche dirigierte der Kirchenmusikdirektor Haydns Jahreszeiten, ein Werk, das mit dem Jahresablauf natürlich auch auf einen langen Zeitraum, ja ein ganzes Leben anspielt. Und der auch für eine Kirche lange Nachhall in der seltsamen "Chiesa Stella Maris" mag Symbolcharakter haben für den bleibenden Wert der Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Philharmonie. Über 110 Gmünder Musiker konzertierten an drei wichtigen Orten anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Partnerschaft zwischen dem Ostalbkreis und der Provinz Ravenna.
Bevor für Philharmonie und Philharmonischen Chor der musikalische Ernst begann, durfte man die italienische Gastfreundschaft erleben: Dr. Alberto Rebucci, der Motor der Partnerschaft in Ravenna, führte zusammen mit einer brillant übersetzenden Biologin ins Po-Delta, einem hochinteressanten Naturschutzgebiet, in dem die feuchte Witterung für Vor- und Nachteile sorgte.: Es gab viele Vögel, aber noch mehr Moskitos, was Dr. Rebucci mit Humor kommentierte: "Hoffentlich hat es Ihnen gefallen; den Fliegen bestimmt.
In einer Stadtführung konnten die Gmünder Musiker die Sehenswürdigkeiten von Ravenna bestaunen, natürlich in erster Linie die byzantinischen Mosaiken in den herrlichen Kirchen der Stadt; nicht nur die beiden US-Bürger im Chor waren leicht verblüfft darüber, dass man hier Mosaiken aus dem 12. Jahrhundert als "nicht sehr alt" bezeichnete. Am Abend wurde man im Hotel überrascht mit regionaltypischer Musik - zwei Herren spielten zuerst zum Abendessen, dann zum Tanzen auf mit Akkordeon und Okarina.
Am Pfingstmontag ging es dann aber zur (Haupt-)Sache: Im Alghieri-Theater von Ravenna gab es am Vormittag eine sehr anstrengende und lange Arbeitsprobe, bei der man sich mit der für Musik schwierigen Akustik zurechtfinden musste. Vor allem der Chor hatte es durch die Platzierung weit hinten inmitten von Vorhängen nicht einfach. Am Abend dann eine sehr festliche Stimmung, dem Konzert gingen Ansprachen von Regionalpräsident Francesco Giangrande und Landrat Klaus Pavel voraus, in welchen die Bedeutung der Partnerschaft auf Städte- und Regional-ebene für ein vereinigtes Europa hervorgehoben wurde. "Unsere Freundschaft wird am Ende dieses Abends noch stärker sein", betonte der Präsident der Provinz Ravenna. Landrat Pavel zeigte, wie sehr sich die Beziehung der Provinzen durch Städtepartnerschaften - zuletzt der zwischen Gmünd und Faenza - vertieft haben.
Anwesend bei Festakt und Konzert waren neben einer stattlichen Abordnung aus dem Ostalbkreis auch Delegationen aus Frankreich, Ungarn, Serbien und Bosnien/Herzegowina, die am darauffolgenden Tag an einem Europäischen Kongress teilnahmen. So kam der Philharmonie und dem Chor eine ungewohnte Aufgabe zu: Vor Konzertbeginn wurden beide Nationalhymnen intoniert, dies übrigens auch in Faenza und, etwas merkwürdig, sogar in der Kirche von Cervia.
Bei allen drei Konzerten gab es zunächst Ansprachen, was die Veranstaltungen noch verlängerte, dauerte doch das Konzert selbst über zwei Stunden (worüber manche weniger musikinteressierte "Offizielle" nicht unbedingt glücklich waren). Umso eindrucksvoller die konzentrierte Leistung der Aufführenden, die eine zweifellos ausgezeichnete Leistung ablieferten und trotz vorgerückter Stunde mit anhaltendem Beifall belohnt wurden. Auch den Solisten war es wieder gelungen, das Publikum in ihren Bann zu ziehen, allen voran die temperamentvolle Sopranistin Donna Ellen, die auf dieser Tournee ihre Freundschaft zu den Gmündern erneuerte und vertiefte. Aber auch der Tenor Bernhard Berchtold und Bariton Nils Cooper überzeugten wie schon im Gmünder Konzert.
Anderntags nahmen Interessierte an der Euroüäischen Tagung teil, einege nutzten die Gelegenheit zu einem Bad in der Adria, viele besichtigten unter Führung von Peter Klonner die außerhalb gelegene Kirche Sant' Apollinare in Classe.
Am Mittwoch dann die Begegnung mit der neuen Gmünder Partnerstadt Faenza, ein verblüfftes Aufhorchen gleich zu Beginn der Probe im Teatro Massini, das sich mit einer sensationell guten, direkten Akustik präsentierte. Alle waren sich einig, dass man selten unter so perfekten akustischen Verhältnissen konzertiert hatte, wie in diesem Theatersaal der Partnerstadt Faenza. So fiel die Probe relativ kurz aus, um eine ausreichende Erholungsphase für das Konzert am Abend einlegen zu können.
Abendessen gab es auf der schönen und geräumigen Balustrade des Faenzer Rathauses und anschließend im Ratssaal eine Empfang, an dem Provinzpräsident Giangrandi, Landrat Pavel, die Bürgermeister von Faenza und Tusla und Gmünds Vertreter Klaus Eilhoff Grußworte sprachen. Beim allgemeinen Gedankenaustausch konnten auch Christine Lerchenmüller als Vorsitzende des Philharmonischen Chors und Sigrun Feldwieser, die Hauptorganisatorin der Tournee, für die beindruckende Gastfreundschaft danken. Mit einem Ständchen revanchierten sich die Sängerinnen und Sänger, obwohl der Termin für diesen Empfang unmittelbar vor Konzertbeginn aus musikalischen Gründen nicht sehr glücklich war und wenig Raum für Gespräche mit Gastgebern und anderen Gästen blieb. Alle Mitwirkenden - und auch das dankbare Publikum - hatten dann aber ein sehr intensiv empfundenes Konzerterlebnis, da die räumlichen Voraussetzungen ein ideales musikalisches Zusammenwirken ermöglichten.
Obwohl der Orchesterbus in der Nacht noch eine Irrfahrt erlitt, um einige Mitglieder der offiziellen Delegation in ihr Hotel zu bringen, ließ man es sich nicht nehmen, am Donnerstag Faenza zu besichtigen, wobei natürlich der Besuch in der Keramik-Manufaktur nicht fehlen durfte, zumal man sich hier mit Reisesouvenirs eindecken konnte. Am Nachmittag wurde eine kleine Wanderung im nahegelegenen Brisighella als sehr angenehme Abwechslung empfunden.
Am Abend hieß es bereits Abschied zu nehmen, da der Freitag für das Konzert in Cervia verplant war. Christine Lerchenmüller und Sigrun Feldwieser dankten insbesondere Dr. Alberto Rebucci für die wichtige organisatorische Unterstützung. Dass in Cervia in der organisatorischen Vorbereitung nicht alles perfekt funktioniert hatte, lag nicht an ihm, sondern an den örtlichen Veranstaltern. So fuhren Eckhard Müller und Michael Kessler von der Organisation des Philharmonischen Chores als "Feuerwehr" an zwei Tagen nach Cervia und ihre Bemühungen gemeinsam mit den Organisatoren trugen Früchte.: Die Kirche im Badeort von Cervia, Milano Marittima, war dann doch fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine etwas gekürzte Fassung des Oratoriums trug dann auch dem überakustischen Raum, in dem eine Pause nicht möglich war, Rechnung. So gelang noch einmal ein sehr konzentriertes Musizieren, keineswegs selbstverständlich angesichts des hohen Anspruchs, den das Werk an alle Mitwirkenden stellt. Beifall und Komplimente auch von vielen Deutschen, welche die Ferien in Cervia verbrachten, darunter Mitglieder des Freiburger Bachchores, die die Gmünder zu ihrer Leistung beglückwünschten.
In der kurzen Anspielprobe vor dem Konzert hatte Hubert Beck allen Organisatoren und Mitwirkenden gedankt und Abschied genommen von dem Orchester, das er in über 100 Konzerten dirigiert hatte. Immerhin wird er weiterhin als Leiter des Philharmonischen Chores dem Gmünder Konzertleben erhalten bleiben.
Fazit einer anstrengenden Woche: Die Philharmonie und der Philharmonische Chor haben den Ostalbkreis würdig vertreten und ihren Beitrag zur Städtepartnerschaft und zur weitgehend problemlosen deutsch-italienischen Freundschaft geleistet. Vermutlich wurden sie auch der Ankündigung des Landrates gerecht, der in Faenza zu den Zuhörern sagte: "Wir haben Ihnen das Beste mitgebracht, was wir zu bieten haben."