Haydns Jahreszeiten in Italien
02.11. - 06.11.2015
diverse Tagesberichte
Tag 1 von Barbara Sterner
Wo Perlenketten und Joschka Fischer sich begegnen:
Flughafen Stuttgart, am Check-in-Schalter. Es ist gleich viertel nach 6. Ich bin etwas nervös. In gut 30 Minuten geht unser Flieger und mein Koffer muss noch aufgegeben werden. Eigentlich schließt der Schalter jetzt. „Wer muss noch nach Budapest?“ ruft eine Schaltermitarbeiterin laut. Zum Glück wissen sie Bescheid und fertigen uns noch ab. Husch, husch! Schnell durch die Sicherheitsschleuse. Es klappt! Alle kommen heil und sicher und mit allen Gepäckstücken in Budapest an. Das erste Abenteuer haben wir bestanden! Ein schöner Nebeneffekt: Im Flugzeug hat der eine oder andere einen Chornachbarn, den er noch nicht wirklich kennt. Interessante Gespräche ergeben sich. Vielleicht ist das eins der schönsten und auch wertvollsten Dinge auf dieser Reise? Mit Chorkollegen ins Gespräch zu kommen, mit denen man sonst keine Gelegenheit hat, ins Gespräch zu kommen? Weil sie einer anderen Stimme angehören oder bei der Chorprobe zwei Reihen hinter einem sitzen? Wir passieren am Budapester Flughafen die Ausgangsschranke. Ballons in bunten Farben erwarten uns, dazu Susanna und ihr Ehemann. Sie waren schon vorher nach Ungarn gereist. Erst nach einiger Zeitfällt mir auf, dass die Farben der Ballons nicht zufällig gewählt sind, sondern wie eine Überschrift unserer Chorreise sind: Die Farben sind die der Nationalfarben Deutschlands und Ungarns… Außerdem erwartet uns eine kleine Stärkung: Pogácsa! Kleine Teigbällchen, eine ungarische Spezialität. Ein sehr freundlicher Empfang, und schön, mit Susanna gleich ein vertrautes Gesicht zu sehen!
Draußen vor dem Flughafengebäude empfängt uns Busfahrer Norbert: er wird uns die weiteren viereinhalb Tage begleiten und bringt uns mit dem Bus ins Stadtzentrum zum Ibis-Hotel. Frohgemut packen wir unsere Koffer aus dem Bus und marschieren zum Hotel. Leider war es das falsche Hotel, wie sich kurz drauf herausstellt: Wir müssen ins „Ibis City“ und sind im „Ibis Centrum“ gelandet. Wieder zurück zum Bus. Busfahrer Norbert geleitet uns sicher jetzt ins richtige Hotel. Und: wir können sogar schon die Zimmer beziehen. Zweites Abenteuer gut überstanden!
Unser erster offizieller Programmpunkt an dem Tag ist „Frühstücken in der Markthalle“. Dort erwartet uns Gabor, unser genialer Reiseführer für diesen Tag… Der Ungar hat eine Zeit lang in Baden-Württemberg gelebt und garniert sein Wissen mit unzähligen Vergleichen zwischen Deutschland und Ungarn… Wer von Euch wusste zum Beispiel folgendes: 1958 wurde nicht nur der Budapester Fernsehturm erbaut – sondern auch der Stuttgarter! Die alte Budapester Markthalle, 1890 erbaut, lupft den Schleier und gewährt uns mit ihren Obst-, Gemüse-und Fleischständen einen kleinen Einblick in die Kulinarik Ungarns… Einige nehmen ihren Kaffee und Espresso in einem kleinen Eckcafé auf der Galerie ein… ein schöner Einstieg in die Zeit hier! Der eine oder andere deckt sich mit ersten Lebensmitteln ein… Dann führt uns Gabor durch einen der schönsten Ecken Budapests, nämlich die Fischerbastei. Diese liegt auf einer Anhöhe, einmal über die Donau rüber… A propos Donauüberquerung: wunderbar die Donaubrücken. Etwa die Kettenbrücke: „Die Kettenbrücke sieht bei Tag aus wie eine Fahrradkette. Bei Nacht aber sieht sie aus wie ein Perlencollier, das eine Dame abends mit spitzen Fingern abnimmt“, sagt Gabor. Oder eine andere Brücke: „Die ist wie eine Ballerina: Die Brückenpfeiler sind an einer Stelle ganz dünn – wie eine Ballerina, die auf Zehen steht“. Ein weiteres sehr plastisches Bild: auf dem Géllertberg steht eine Freiheitsstatue in Form einer weiblichen Figur. Diese erinnere an einen – wenn auch sehr anmutigen – „Bieröffner“, so Gabor. Später werden wir auf der Anhöhe der Fischerbastei spazieren… goldener Herbst, Sonnenschein, angenehme Temperaturen, blauer Himmel, Bänke in einer Baumallee, auf der Menschen sitzen, die Augen geschlossen, die warme Sonne genießend… Gabor wird uns erzählen, dass in dieser Straße Joschka Fischer geboren sei. Wieder eine Verbindung zu Deutschland… Irgendwann ist auch dieser schönen Spaziergang zu Ende.
Manchem knurrt bereits der Magen und wir fahren ins Restaurant „Paprika Vendéglö“. Dort erwarten uns gefühlt zwei, drei Stunden leckeres Essen und vor allem nette Gespräche. Wieder sitzt der eine oder andere neben Menschen, mit denen er sich vorher noch nicht näher unterhalten hat. Die Zeit verfliegt wie im Flug… So schön, ohne Zeitdruck in Ruhe zu essen und über Gott und die Welt zu plaudern! Mehrere Mitreisende werde ich in diesen Tagen sagen hören: „Wie schön, mal mit Chorkollegen zu sprechen, die man bis jetzt noch nicht kennt!“.
Am Abend geht es nach Vác, in die Bartók Béla Musikschule. Ein schöner Konzertort mit guter Akustik. Die Probe verläuft gut, trotz unseres schon langen Tages… Besonders begeistert uns Anna mit ihren Kastagnetten und dem Lied „Viva Sevilla!“ Spanisches Temperament in Ungarn! Wir klatschen begeistert… ein kleiner Vorgeschmack auf das Konzert wenige Tage später… Nach der Rückkehr abends ins Hotel freuen sich viele schon auf ihre wohlverdiente Nachtruhe; der Tag war lang. Einige erkunden jedoch noch das Budapester Nachtleben – ob die Kneipe um die Ecke oder ein paar Meter weiter im jüdischen Viertel…
Best of Budapest zum Weggehen:
Café New York (Budapest, Erzsebet korut 9-11)
Nur zwei Minuten von unserem Hotel weg ist dieses Kaffeehaus ein Genuss zum Frühstücken (ab 9
Uhr), zum Kaffeetrinken, Mittagessen – oder abends im Barbereich. Jeweils mit Livepianomusik…
Im jüdischen Viertel um die Synagoge reihen sich in den Straßen „Kazinczy út“ und „Király utca“ eine
Kneipe und Bar an die andere… bekannt in Budapest sind die so genannten Ruinenkneipen: eine davon, das
Szimpla Kert (Kazinczy út 14) lernten einige Chorreisende kennen.
Tag 2 von Annegret Kornau
Besuch und Konzert in der Partnerstadt Székesfehérvár
Nach dem Frühstück fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein (im November!) in die Partnerstadt von Schwäbisch Gmünd, nach Szekesfehervar. Eine Stadtführerin erklärte uns die frühere Bedeutung der Stadt als Krönungsstätte ungarischer Könige. Davon zeugen die Ausgrabungsreste der romanische Basilika und des Mausoleums von Stephan I. in der nationalen Gedenkstätte.Sie wurde anno 972 als Alba Regia gegründet und war der Stammsitz der ersten ungarischen Könige. Dann durften wir einen Blick in die wunderschön ausgemalte Zisterzienzer-Kirche werfen und die wunderbaren Holzschnitzereien in der Sakristei besichtigen.
Die Innenstadt bewahrte sich ihren Barockcharakter, deren bedeutendste Gebäude der Dom, das bischöfliche Palais und das Rathaus sind. Als Kuriosität zeigte uns die Stadtführerin die Skulptur einer Bäuerin auf dem Weg zum Wochenmarkt aus Bronze(Tante Kathie). Deren Nase glänzte auffallend. Auf unsere Frage erklärte sie, dass das Reiben der Nase Glück bringen sollte. Ein sehr schmackhaftes Mittagessen gab es in dem Restaurant Kiskakas, „Der kleine Hahn“.
Danach fand eine erste Probe im Saal St. Stephan des gleichnamigen Kulturhauses statt. Anschließend konnten wir auf eigene Faust noch weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt oder einige kleine Läden besichtigen, die z.T. noch in Handarbeit ihre Waren herstellen, z.B. eine Sattlerwerkstatt mit Sattlernähmaschine, die Zaumzeug und Gürtel anfertigte. Auf unserm Rundgang durch die Stadt sahen wir nur ein einziges Plakat, das auf unser Konzert hinwies, sicher ein Grund für den sehr mäßigen Besuch desselben.



Den Höhepunkt des Tages bildete das Konzert, das wir gemeinsam mit dem sehr jungen Chor Vox Mirabilis gestalteten. Zu unserer Überraschung waren einige Fotografen und sogar das Fernsehen da. Susanna Peters musste ad hoc dolmetschen, was sie souverän meisterte. Den ersten Teil bestritt Vox Mirabilis mit geistlichen und weltlichen A-capella-Sätzen. Uns beeindruckten besonders die Intonationssicherheit und die vielen Stellungswechsel während der Aufführung. Unsere Darbietung mit Anna Escala als Solistin und Johannes Wittman am Flügel fand auch begeisterte Zustimmung, zumal Anna als Zugabe ein ungarisches Lied sang. Gemeinsam mit Vox Mirabilis sangen wir am Schluß „Erlaube mir, feins Mädchen“. Der ungarische Chor hatte einen kleinen Umtrunk vorbereitet, so kam man trotz Sprachhürden etwas ins Gespräch. - Auf dem Weg zum Bus sahen wir einen jungen Mann, der verstohlen die Nase von „Tante Kathie“ berührte, vielleicht hilft es ja doch.....? - Auf der Heimfahrt hatte Susanna Peters noch eine besondere Überraschung: Der Bus hielt auf dem Gellert-Hügel und wir konnten einen grandiosen Blick auf das nächtliche Budapest genießen.
Tag 3 von Sibylle Ploner
Zeit für Kultur - Budapest
Nach einem ausgiebigen Frühstück in unserem stadtnah gelegenen Ibis-Hotel traf sich der Großteil unserer Reisegruppe um neun Uhr im Foyer zu einer geplanten Stadtbegehung mit Besichtigung des ungarischen Parlaments. Mit Susanne wiker an der Spitze, die uns unterwegs viel zeigen und erkläutern konnte, erreichten wir bald den Oktogon-Platz. Von hier aus erstreckt sich der erste Abschnitt der „Andrassi Ut“, der Prachtstraße Budapests, zur Donau hin. Die mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshäuser, die diesen Boulevard säumen, wurden Ende des 19. Jahrhunderts in einem Stilmix von Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, Neoklassizismus sowie des ungarischen Jugendstils erbaut. Diese Straße zählt einschließlich der darunter verlaufenden U-Bahn, der „Földatti“ (die Unterirdische), zum Welterbe der UNESCO!
Viele der Prachtbauten waren schön restauriert, andere jedoch an den Fassaden stark beschädigt. Vorbei an dem im Jugendstil erbauten „Madach-Theater“, in dem moderne Musicals aufgeführt werden, und dem prächtigen Opernhaus (Neorenaissance), erreichten wir als Nächstes die gewaltige neoklassizistische „St.-Stephans-Basilika“ mit ihrem großzügig angelegten Vorplatz. Sie ist die größte römisch-katholische Kirche Ungarns und beherbergt als Reliquie die einbalsamierte Hand des ungarischen Staatsgründers, des hl. Stephan. Wir waren beeindruckt von diesem monumentalen, reich vergoldeten Kirchenschiff mit seiner riesigen Kuppel.


Über den Vorplatz gingen wir hinab zum Donauufer. Links von uns erblickten wir die „Kettenbrücke“, welche die beiden Stadtteile Pest und Buda miteinander verbindet. Uns bot sich eine atemberaubende Sicht über die Donau zur Buda-Burg und zur Fischer-Bastei mit der Matthiaskirche. Bei herrlichem Sonnenschein und blauem Himmel spazierten wir an der Donau entlang Richtung Parlament. Unterwegs hielten wir inne an der Gedenkstätte für die 1940 von ungarischen Nazis erschossenen Juden. Die 60 verschiedenen Schuhpaare aus Eisen wirkten so lebendig, als wären sie gerade erst abgestellt worden.
Pünktlich um 11 Uhr erreichten wir das blendend weiße Parlamentsgebäude, das im Stil der Neogotik und der Neorenaissance erbaut wurde. Mit seinen ungeheuren Ausmaßen prägt es das einmalige Stadtbild des Pester Donauufers. Nach längerer Wartezeit und akribischer Taschenkontrolle, konnten wir in einer humorvollen Führung die prunkvolle Innenausstattung bewundern.


Im Anschluss hatten wir einige Stunden Zeit zur freien Verfügung, die in Kleingruppen oder im Alleingang für die unterschiedlichsten Unternehmungen ausgefüllt wurde. Die Gruppe, der ich mich angeschlossen hatte, besuchte nach einem Mittagessen in schönem Ambiente das traditionsreiche „Cafe Gerbeaud“. Zum Abschluss genossen wir vom Riesenrad aus einen einmaligen Blick auf die in der Abendsonne leuchtende Großstadt.
Um 16 Uhr traf sich dann die komplette Gruppe wieder vor dem Opernhaus,für das wir ebenfalls
eine ausgiebige Führung erhielten. Der Eindruck der prunkvoll vergoldeten Innenräume mit Foyer
und Opernsaal war überwäligend.
Wer eine Eintrittskarte für die Generalprobe von Wagners Oper „Das Rheingold“ hatte, konnte eine
moderne und schrille (persönl. Eindruck) Inszenierung erleben, in der sich Parallelen zu unserer
modernen Konsum-Gesellschaft wiederfanden..
Nach diesem ausgefüllten und erlebnisreichen Tag erreichten wir spät Abends wieder unser Hotel.

Tag 4 von Hans Jorda
Ausflug nach Vác mit Konzert
Auch heute hatten wir großartiges Wetter, es war zwar ziemlich kühl, aber die Sonne wärmte stark.
Die erste Erkundung in Vác erfolgte gemeinsam. Wir gingen vom Domplatz über die Köztársaság-Straße zum
Március-Platz, auf dem wir von einer Stadtführerin Wissenswertes zur Stadt und ihrer Geschichte erfuhren.
Danach bestieg unsere Gruppe das Touristen-Zügle. Der erwartete Genuss stellte sich nur zum Teil ein.
Wir wurden eine halbe Stunde lang mit weiteren, akustisch nur schwer verständlichen Erklärungen über
die Lautsprecher versorgt, dabei erhielten wir einen ersten Eindruck von der Stadt. Nächste Station
war der Markt in Vác. Die von Susanna hochgelobten Langos wurden verkostet. Sie schmeckten sehr gut,
waren jedoch so mächtig und sättigend, dass wir auf das geplante Mittagessen verzichten konnten. Nach
einem kleinen Spaziergang setzten wir unser Mittagmahl mit einem Dessert im Freiluft-Cafee an der
Donau fort. Andere unserer Reisegruppe speisten inzwischen in Restaurants, eines wurde besonders gelobt.
Dort wurden die Gäste beim Abschied mit Gesang beglückt. Bis zur Probe hatten wir nun sehr viel Zeit.
Spaziergänge durch die Stadt, den Markt und die Donau-Promenade waren angenehm. Wir genossen die wärmende
Herbstsonne, man war versucht, vom „Seele baumeln lassen“ zu sprechen. Nachdem es draußen jedoch immer
„frischer“ wurde, wärmten wir uns in einer Teestube.



Vor der Probe trafen wir uns beim Bus, holten Konzertkleidung und Noten. Die Vorfreude und Neugierde auf den Chor „Vox Humana“ und das Konzert waren groß. Der Chor hatte geistliche a cappella-Literatur vorbereitet. Er sang sauber, hatte kaum Intonationstrübungen und war der anspruchsvollen Musik gewachsen. Es wurde souverän und mit Freude gesungen. Viele Besucher aus dem Ort füllten den Saal. Man spürte jedoch, dass sich die Chöre vor allem dem anderen Chor präsentierten. Das Konzert wurde zur Chorbegegnung, bei der man sich verglich und aufmerksam zuhörte. Sicher motiviert das für die weitere Chorarbeit.
„Vox Humana“ begann mit „Hosanna to the son of David“ von Thomas Weelks, polyphon, spielerisch und leicht bewegt. Bei “The Te Deum of Sándor Sík” von Zoltán Kodály präsentierte der Chor abwechslungsreiche und packende Musik. Nach hymnischem Beginn der Männerstimmen wechselten bewegte Choralmelodien mit rhythmisch flüssigen Parlando-Abschnitten in beeindruckender Sprechtechnik. Das „Agnus Dei“ von Miklós Kocsár begann fugiert, um dann in weicher Melodik auf einem wunderbaren Pianissimo zu enden, durchaus auf Wirkung bedacht. Bei Josef Gabriel Rheinbergers „Angelus Domini“ konnten wir die in der Romantik beliebten Registerwechsel von Frauen- und Männerstimmen hören, bei vitaler Stimmführung. Kraftvoll und rhythmisch sangen der Chor „Cantate Domino“ von Josu Elberdin, zum Teil volkstümlich, populär und wirkungsvoll. „Édesanyám rószafája“ von Tamás Beischer-Matyó wurde zum fulminanten Abschluss. Nach einem Sopransolo mit summender Chorbegleitung, dann Alt- und Männerstimmen in ruhiger Melodieführung, steigerte sich die Musik rhythmisch und zu voller Klangstärke.
Das Programm wurde von Anna Escala mit drei Liedern von Gustav Mahler fortgesetzt: „Wer hat das Liedlein erdacht?“ , „Um schlimme Kinder artig zu machen“ und „Scheiden und Meiden“. Johannes Wittman begleitete die Solistin und später den Chor am Klavier, sicher und mit virtuoser Spielkunst. Die Lieder, ebenso die Platzierung im Programm waren gut gewählt, der Vortrag gelang überzeugend. Hatte man den Chorvorträgen zuvor noch neugierig und kritisch gelauscht, spürte ich bei Anna Escalas Vortrag erstmals Nähe und Empathie. Sie begeisterte und und gab mit „Viva Sevilla“ eine Zugabe. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Chor sang sie anschließend zwei empfindsam zarte Volkslieder von Johannes Brahms „Dem Himmel will ich klagen“ und „Verstohlen geht der Mond auf“.

Der Philharmonische Chor führte danach „Zigeunerlieder“, op.103 von Johannes Brahms für Gemischten Chor und Klavier auf. Die unterschiedlichen Stimmungen der elf Lieder lassen keine Langeweile aufkommen: Leidenschaft, Temperament, Rhythmus, aber auch graziöse, dann lyrische Melodiefolgen begeistern. Lediglich die Thematik und die aus dem Empfinden der Romantik entstandenen Texte müssen kritisch gesehen werden. Ergänzt wurden sie durch drei Lieder aus „Liebeslieder Walzer“ für Singstimmen und Klavier, op.52. Trotz des anstrengenden Touristenprogramms am Tage war der Chor gut disponiert und beeindruckte, Stephan Beck war zufrieden, die Zuhörer applaudierten lange
Eine weitere Seite der Chorbegegnung tat sich im Anschluss an das Konzert auf. Die Gastgeber hatten eine große, brechend volle Tafel mit allerlei Speisen, Leckereien und Getränken vorbereitet. In gelöster Stimmung kam es zu netten Gesprächen, viele konnten Deutsch oder Englisch. Es dauerte nicht lange, so begann der ungarische Chor zu singen. Überraschend, diese „chorische Gebrauchsmusik“ hatte gar nichts Anrüchiges, es war Musik, nur so aus Freude gesungen. Wir mussten uns mühen, hier mitzuhalten. Gelegen kam, dass bei „Dona nobis pacem“ und „Viele verachten die edele Musik“ einfach mitgesungen werden konnte. Zufrieden und beschwingt traten wir die Heimreise an, die Stimmung war sehr gut, im Bus wurde viel gesungen. Im weiteren Verlauf ließ die Qualität des Gesanges nach, nicht nur weil die vordere Busfraktion einfach langsamer sang. Alle wurden etwas müde.
Tag 5 von Franz Sickert
Tempus fugit!
Der letzte Tag begann für viele, die nach dem musikalischen, kulinarischen und kontaktreichen Abend in Vác noch nicht schlafen konnten oder wollten, schlag Mitternacht. Die Jüngeren konnten noch einmal Großstadtflair genießen, sei es in einem Café oder einer Diskothek, die Älteren bevorzugten die Unterhaltungsmöglichkeit im Hotelfoyer mit dem Getränkeangebot der Rezeption. Man konnte heute ja länger schlafen als sonst…
Um 9.30 Uhr nach dem Frühstück wurden die Koffer in drei Zimmern deponiert, um 10 Uhr machten wir uns dann – wieder bei schönem Wetter - zu Fuß auf den Weg zur „Großen Synagoge“.



Nachdem wir die Eintrittskarten erhalten hatten, mussten wir uns einer Sicherheitskontrolle, ähnlich jener in den Flughäfen, unterziehen. Die Männer erhielten eine Kippa aus Papier. Nun blieb noch Zeit, sich selbständig umzusehen. Im Innenhof wurde jeder mit dem Holocaust konfrontiert, beim Anblick der marmornen Grabtafeln (viele trugen deutsche Namen) und der angebrachten Fotografien. Hier, im ehemaligen Garten der Synagoge, wurden 2000 Bewohner des Budapester Ghettos, das sich nordwestlich an die Synagoge anschloss, in Massengräbern beigesetzt.
Nachdem János, unser Synagogenführer erschienen war, betraten wir das Innere des 1859 fertiggestellten Monumentalbaus im orientalischen Stil. Die Synagoge gilt als die schönste und größte Europas. Sofort fiel uns die Ähnlichkeit mit einer ev. oder kath. Kirche auf. Bald hörten wir, dass die Architekten keine Juden waren, zudem handelte es sich nicht um ein Gotteshaus für orthodoxe Juden. Die bedeutendste jüdische Gruppe in Ungarn sind die sogenannten Neologen, eine liberale Strömung, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebildet hat. Sie verwenden beispielsweise die Orgel und verkündigen und predigen in ungarischer Sprache. János war ein gewandter und humorvoller Führer, der nicht nur die Einrichtung der Synagoge erklärt hat, sondern uns aufforderte, alle das Judentum betreffenden Fragen zu stellen. Davon machten wir intensiven Gebrauch. Hierbei erfuhren wir auch, dass die 3000 Sitzplätze der Synagoge nur zweimal im Jahr belegt sind, und zwar an Jom Kippur und am jüdischen Neujahrsfest. Das Jahr über erscheinen nur 50-60 Personen am Sabbat. János hat es übrigens auch fertiggebracht, mit ironisch-schalkhaften Worten Kritik über die gegenwärtige ungarische Regierung zu äußern.
Er führte uns zuletzt auf den Platz auf der Rückseite der Synagoge, den beiden Achtecktürmen mit den Zwiebelhauben gegenüber. Dort steht das 1992 geschaffene unübersehbare Denkmal für die Opfer des ungarischen Holocaust: eine Trauerweide aus Metall. Auf jedem silbrigen Blatt dieses Lebensbaumes ist der Name eines jüdischen Opfers in den Edelstahl eingraviert. Wenige Schritte davon entfernt befindet sich im Boden eine Marmorplatte, umgeben von einem Wall aus Kieselsteinen. Hier sind die Namen der Helden zu lesen, die sich für die Rettung der ungarischen Juden in der NS-Zeit eingesetzt haben, voran der schwedische Diplomat Wallenberg. Über eine halbe Million der 820 000 ungarischen Juden wurde in Auschwitz ermordet. Etwa 200 000 lebten zu Kriegsbeginn in Budapest. Als die Rote Armee am 18.1.1945 das Budapester Ghetto befreit hat, lebten dort noch 65 000 Personen auf erbärmlichste Weise.
Nach der Führung war ausgiebig Zeit zur freien Verfügung. Welche zog es in die Markthalle und in spezielle Geschäfte, um Souvenirs bzw. Geschenke zu kaufen. Andere zogen größere Kreise, um weitere Sehenswürdigkeiten anzuschauen oder durch die Straßen zu bummeln und noch ein unbekanntes schönes Café kennenzulernen. Eine kleine Gruppe, darunter der Verfasser, besuchte das Gellert-Thermalbad, eine herrliche Entspannungsmöglichkeit.



Die Busabfahrt vom Hotel war auf 17 Uhr vorverlegt, weil wir Komplikationen beim Einchecken wie in Stuttgart befürchten mussten. Doch diese Aktion hatten wir bereits gegen 19 Uhr hinter uns. Somit mussten wir uns im Flughafen bis 21 Uhr die Zeit vertreiben und konnten dabei die letzten Forint ausgeben. Wieder auf denselben Plätzen der Germanwings- Maschine sitzend, warfen wir nach dem Abheben um 21.40 Uhr noch einen letzten, wehmütigen Blick auf Budapest in prächtiger Nachtbeleuchtung. Gegen Ende des eine Stunde und zehn Minuten dauernden Flugs bereitete uns der Kapitän auf die frühlingshafte Temperatur in Stuttgart vor: 14°C!
Auf der Fahrt mit dem Bus nach Gmünd war Zeit und beste Gelegenheit für Dankesworte, zunächst an jene, welche die so glücklich verlaufene Reise vorbereitet und geleitet haben: Susanne Wiker, Hermann Karg und Susanna Peters. Herr Grübl und Christine Lerchenmüller haben mit treffenden Worten am Mikrophon zum Ausdruck gebracht, was im Rückblick alle gedacht und gefühlt haben. Abschließend bedankte sich Herr Beck umfassend für diesen Höhepunkt in der Chorgeschichte, besonders jedoch bei Johannes Wittmann für die souveräne Begleitung am Flügel und bei Anna Escala für das chorische Einsingen vor den Proben und Konzerten sowie für ihre beiden großartigen Auftritte als Solosängerin. Um 0.40 waren wir am Landratsamt angekommen, und nach kurzen Abschiedsgrüßen eilten alle nach Hause, um nach so einem langen und erlebnisreichen Tag auszuschlafen.