Verdi - Requiem 2007 im Heilig-Kreuz-Münster, Schwäbisch Gmünd

Hubert Beck entfesselt Verdis Requiem im Münster

EKM: Philharmonischer Chor, Württembergische Philharmonie Reutlingen und Solisten begeistern Zuhörer


Das selbst gesteckte Ziel des Gmünder Renommee-Ensembles, des Philharmonischen Chores war hoch. Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Hubert Beck wurde am Mittwoch im Rahmen des Festivals der Europäischen Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd Guiseppe Verdis „Missa da Requiem“ im Münster aufgeführt. Fazit: Ein großartiger Abend, ein großartiges Orchester, eine großartige Chorleistung.

Es gehört viel dazu, ein so gewaltiges und bekanntes Werk wie Verdis Requiem zur Aufführung zu bringen: ein hervorragendes, voll besetztes Orchester, Solisten, die sich dagegen durchsetzen können, sowie Mut und Ausdauer eines großen Chores unter der Leitung eines fähigen Dirigenten. Die Musik ist unerbittlich und verzeiht keine Fehler – Verdi bringt jeden an seine Grenzen, zu groß ist die Beanspruchung vor allem für die Stimme. Hier zeigt sich definitiv der Unterschied zwischen Vollprofi und engagiertem Laien. Wenn Simone Schneider (Sopran) im Schlusssatz, dem „Libera me“, immer noch so frisch, so klar und mühelos ihren Part meistert, als ob sie noch keine Note gesungen hätte und dabei fast den ganzen Abend im Dauereinsatz war, ist das nur noch „groß“ zu nenn – man muss sich vor dieser Ausnahmeerscheinung unbedingt verneigen.

Ebenso Markus Marquardt, der durch seinen in der Höhe und Tiefe vollen Bass (Schwarzes Kolorit) bestach und sich im Volumen schnell dem Klangkörper anpasste – ausgezeichnet seine Aussprache, bei der die Konsonanten hell und klar im Raum standen. Julia Grinjuk  (Mezzosopran) und Jean-Noêl Briend (Tenor) zeigten hauptsächlich zu Beginn des Requiems ihre Klasse, mussten dem ständigen Vollgas jedoch gegen Ende des Werkes etwas Tribut zollen und einen Gang zurückschalten – dass sie dabei immer noch Chor und Orchester überragten, zeigt ihre Kunst.

Großartig war die Württembergische Philharmonie Reutlingen, welche für das Konzert gewonnen werden konnte und die man hoffentlich bald in Gmünd hören wird. Das Pianissimo (selbst dieses Wort ist noch zu grob) zu Beginn des Introitus war so leise, so samtig und so fein, dass es noch vom Klicken eines Kammeraverschlusses übertönt werden konnte.  Der Gesamtklang des  Streichapparates in jeder Lautstärke wie Meeresrauschen oder Brandung, die den Staunenden von allen Seiten mit einem prickelnden Nebelschleier umhüllt. Die Holzbläser bildeten in den tiefen Lagen eine gute Brücke zum Blech und der großen Trommel, welche in der Sequenz des „Dies Irae“ erst das Gänsehautgefühl angesichts der Schrecken des jüngsten Gerichts hervorriefen. Die entfesselten Kräfte konnte man dabei nicht nur in Orchester und Chor hören und sehen, sondern leibhaftig spüren – jeder Schlag der großen Trommel wirkte wie ein dumpfer Hieb gegen die Brust. An dieser Stelle war vom Chor leider nicht mehr viel zu hören und man hätte sich hier noch mehr Masse und Wucht gewünscht, wie sie dann freilich nur ein Profichor hätte leisten können – besetzt mit lauter Schneiders und Marquardts. Doch halt: Das Kirchenmusikfestival baut bewusst Brücken zwischen Elite und Basis, zwischen Europa und den Trägern regionaler Musikkultur. Nur so kann gewährleistet werden, dass ganzjährig Anspruchsvolles geboten ist und nach den EKM-Wochen nicht die saure Gurkenzeit beginnt. Insgesamt gesehen bestach der Chor durch gute Schulung, Disziplin, Aufmerksamkeit, Akkuratesse im Wechsel mit den Solisten, sowie perfekte Intonation und man muss den Sängerinnen und Sängern allen Respekt für diese große Leistung entgegen bringen. Das Requiem mit den vorhandenen Mitteln in dieser außergewöhnlichen Güteklasse aufzuführen gelingt wohl auch nur einem Musiker vom Format eines Hubert Beck, der Schwäbisch Gmünd einmal mehr einen kulturellen Hochgenuss bescherte.

Florian Schäfer

Kritik 27.07.2007 Remszeitung, Schwäbisch Gmünd