Abschiedskonzert Hubert Beck

Kultureller Meilenstein in der Geschichte der Region


Abschiedskonzert Hubert Beck – so überschrieb der Philharmonische Chor Schwäbisch Gmünd lapidar ein Ereignis, welches einen langen Widerhall in der Stauferstadt, der Region und weit darüber hinaus garantiert. Das riesige musikalische Arbeitsfeld und die immense Lebensleistung des Kirchenmusikdirektors über zwei Generationen hinweg ist kaum angemessen darzustellen. Was sind schon statistische Angaben? 134 Konzerte in neun Ländern, 1600 Proben in über 4000 Stunden, und zwar nur mit seinem „Philchor“, nicht ein-gerechnet die unzähligen anderen Aufgaben in vielen Chören, an der PH, schließlich der unermüdliche Einsatz für die musica sacra – man denke nur an die Spitze dieses Engagements: das Festival der Europäischen Kirchenmusik, das auch ihn zum Vater hat. Die Feder sträubt sich, sie würde heiß.

All dies zu feiern, hatte sich am Samstag die treue Hörergemeinde mit vielen Wegbegleitern und Ehrengästen eingefunden, um ein (offiziell) letztes Mal den Maestro in der ihm eigenen Art zu erleben. Auch der Rezensent vermag nicht zu sagen, wie viele Berichte er über Hubert Becks Wirken geschrieben hat. Wie ein roter Faden durchziehen markante Qualitäten sein künstlerisches Schaffen: handwerkliche Präzision, das Gespür für die Werkauswahl, die Treffsicherheit bei vielen Solisten, die ihm so manches verdanken für ihre Entwicklung. Kirchenmusikdirektor Hubert Beck ist ein Dirigent sinfonischer Chormusik, wie er eher selten ist. Wie viele kümmern sich je nach professio einseitig um den Chor oder das Orchester, der andere Klangkörper bleibt sich selbst überlassen. Nicht so Hubert Beck. Gerade das ausgewogenen Mit- und Ineinander, seine ästhetisch wie schlagtechnisch gleichermaßen souveräne Gestik, die Ausdrucksansteckung, ohne Mätzchen, ohne Selbstdarstellungsallüren – all dies haben auch die Musiker an ihm geschätzt.

Und das Ereignis? Immer kam eine runde Aufführung zustande, glänzend, überzeugend, berückend. Bewusst, aber uneitel stand Beck im wohlverstandenen Dienst seiner Botschaft. Und die betraf, traf die Menschen: Humanität – und diese transzendierend – ein Stück Reich Gottes, weil eben diese Kirchenmusik ihr Maß im „Soli Deo Gloria“ hat. Dessen treuer Diener war Hubert Beck. Sein letztes Konzert jetzt am vergangenen Samstag hatte nicht umsonst zwei Facetten: Beethovens Chorfantasie (im Sinne der Humanität) und Mendelssohns 2. Sinfonie mit dem signifikanten Titel Lobgesang auf Texte ausschließlich der Heiligen Schrift. Allein die Ruhe des Dirigierens verriet die Reife einer Persönlichkeit, die auch den Mitmusizierenden genügend Raum zur eigenen Entfaltung ließ.

Die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg erwies sich als flexibler, feinsinniger Klangkörper, der wunderbar begleiten kann, ohne ehrenkäsig dominieren und die Vokalparts zudecken zu müssen.

Von allen guten Gruppen ließen besonders die Holzbläser aufhorchen. Anfangs mit geringen Intonationsinterferenzen, dann aber im Strömen von einer emotionalen Sattheit. Noch nie hat der Rezensent solche klangseligen Klarinetten gehört …

Prof. Volker Stenzels Heimspiel als Solopianist bei Beethoven kostete alle Nuancen seines Parts zwischen zartesten Figuren, Läufen sowie Trillern und dem porträthaften Zupacken in Doppel- bis Vierfachoktaven, von akzentuierten Akkorden sowie einem kongenialen „Wider“-part zum packenden Orchestertutti. Damit war der Philharmonische Chor samt Solisten (Barbara Cramm, Veronica Amarres, Susanne Wiker, Jussi Myllys, Bernhard Fauser und Hermann Karg) gebührend animiert, nicht nur „schmeichelnd hold und lieblich“ (das selbstredend auch), sondern „Großes, das ins Herz gedrungen“, blühte in „Lieb’ und Kraft“ mustergültig auf.

Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonia hätte schon gereicht in ihrer Geschlossenheit, die Anima jedes Zuhörers aufzuschließen. Die thematischen Posaunen einerseits, der wunderbare Melodienstrom (z.B. der Unisono-Violinen) andererseits, in das Adagio religioso (nomen est omen!) mündend, zeigten eine Tiefe des Ausdrucks, wie sie nicht schöner sein kann. Cor, Solisten, Orchester und die stets präsente, das Orchester in Volumen und Klangfarben verstärkende Ahlborn-Orgel (Stephan Beck) vereinten sich zu packendem Gotteslob: „Alles was Odem hat, lobe den Herrn!“ Psalmenzitate und Eschatologie türmten gewaltige Klänge auf. Charakteristische Soli, in den Farben originär und ensemblefähig, gaben unverwechselbaren Glanz. Beide Sopranistinnen mit charakteristischem Timbre und entsprechender Ausstrahlung, ein heldisch strahlend lyrischer Tenor, dessen Steigerung der Frage, „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ unter die Haut ging, bis die erste Sopranistin aus dem Hintergrund dezidiert intonierte: „Die Nacht ist vergangen“. Die Flexibilität des Philharmonischen Chores bestach einmal mehr. „Nun danket alle Gott“ (in der anthropologisch gewendeten Textvariante) hatte in seiner Bogen-Güte Maßstäbe gesetzt. Wie lieblos gehen renommierte Dirigentenkollegen mit Chorälen um! Hier nun eine Hubert Beck Interpretation, die ihresgleichen sucht. Das war ein Schwanengesang, dessen Existenz man gar nicht glauben will. Damit hat Hubert Beck ein Denkmal gesetzt. Stehend applaudierte das Auditorium. Oberbürgermeister Wolfgang Leidig, Landrat Klaus Pavel und die Chorvorsitzende Christine Lerchenmüller hielten je eine Laudatio, die umfassend und redlich Persönlichkeit und vielfältiges Wirken des Scheidenden umrissen. Die Komplexität des Lebenswerkes könnte für mindestens vier Menschen reichen. Respekt! Die Stadt verlieh dem Künstler die höchste zu vergebende Auszeichnung: die Bürgermedaille. Der Geehrte dankte in der ihm eigenen Mischung aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit, dann typisch mit zweimaliger Zugabe (Brahms Ungarischer Tanz Nr. 1 g-Moll) Es war ein großer Abend, ein Meilenstein in der Geschichte der Stadt und des Landkreises Ostalb.

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Quelle Remszeitung, Schwäbisch Gmünd; Dienstag, 18. November 2008