Psalmvertonungen: Felix Mendelssohn Bartholdy 2009

Schnörkellos, klar und verlässlich


Die Psalmvertonungen von Felix Mendelssohn Bartholdy, aufgeführt vom Philharmonischen Chor Schwäbisch Gmünd

Über dem Konzert des Philharmonischen Chores, der Sinfonietta Tübingen und der Sopranistin Ines Lex vom vergangenen Samstag im Heilig-Kreuz-Münster lag eine erwartungsvolle Spannung.
Kritik von Peter Skobowsky, Remszeitung vom 20.10.2009

Schließlich war es das Debut des neuen Chorleiters Stephan Beck, der in die Fußstapfen seines Vaters, KMD Hubert Beck, trat. Und - es war ein gelungenes Debut, gleich zwei Jubiläen. Stephan Beck wurde vor 10 Jahren zum Münsterorganisten berufen - eine glückliche Entscheidung. Der überaus sympathische Künstler hat seither immer wieder mit brillanten Konzerten beispielgebend aufgewartet. Dem zweiten Jubilar wurde im Konzert des Philharmonischen Chores eine wunderbare Hommage zuteil: Felix Mendelssohn Bartholdy, von 200 Jahren geboren. Da begegneten sich also zwei Künstler, beide mit großer Liebe zur Musik und zu den Menschen. Deshalb spürte man von Anfang an den Kairos des Abends. Nach J.S. Bach hat Mendelssohn wie kein Zweiter die Kirchenmusik entscheidend geprägt, indem er dessen Geist zu einem authentischen Ausleger der vertonten Bibeltexte wurde: allen ihren Facetten originell nachspürte und so eine ungemein verinnerlichte Dramatik entfaltete, die selbst in kleinsten Werken den Funken überspringen lässt. Das gut einstündige Programm gab in den vier vorgetragenen Werken zugleich einen interessanten Einblick in die kompositorische Werkstatt des Meisters. Drei Psalmen (114, 55 und 42) sowie die Berufung des Petrus nach Matthäus 16,18 waren kein einfaches Repertoire. So leicht sich die Werke den vielen Zuhöreren mitteilten, so differenziert war der Anspruch einer angemessenen Interpretation.

Sehr schön gab Stephan Beck seinen Intentionen gestische Gestalt: schnörkellos, schlagtechnisch Präzis, mit klarem Aufforderungscharakter. Das Münster hatte da schon ganz andere Dirigenten erlebt, die mit Selbstdarstellung den Ausführenden eher hinderlich waren. Nicht so bei der Musikdynastie Beck. Ohne dass der Sohn einfach kopierte, war sein Vater dennoch nachahmenswertes Vorbild bezüglich der Kriterien eines gleichermaßen ästhetischen schönen als auch verlässlichen Dirigierens. So konnte der Philharmonische Chor sein Können folgerichtig entfalten. Ganz am Text (wellenförmig "Das Meer sah und floh" ... Da "wandte sich" der Jordan wirklich "zurück". Die sich entwickelnde Zielstrebigkeit mündete jubelnd in das Halleluja ein. Eine stringente ABA-Form, dicht und gezügelt.

Mag mancher das "Tu es Petrus" wohl als permanent wuchtig erwartet haben, so überzeugte Stephan Becks eher zurückhaltender Zugang weit mehr. Der eigentlich schwache, zögerliche Petrus wächst erst durch Anfechtungen und Scheitern hindurch in die ihm von Christus zugemutete Aufgabe des Primats - deshalb eben kein missdeutbar theatralischer Triumphalismus, sondern das Gestalt gewordene "Reifen".

Die beiden Psalmen mit Sopransolo (55: "Hör mein Bitten" und 42: "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser") sind dem Publikum schon geläufiger, kennen aber keine Abnutzungserscheinung aufgrund der zwingenden Vertonung. Ines Lex trägt dieser engagiert Rechnung. Ihre wunderbar tragende lyrische Soubrette, ohne jedes Forcieren in "Registern" fördert deshalb aufs Angenehmste die dialogische Struktur in "Hör mein Bitten" wirklich kindlich flehend. Stephan Beck und die Tübinger Sinfonietta parieren ausgezeichnet und geben dem Ganzen Fundament und Farbe. Das ist ein einziges Strömen, kein egalisiertes Gleiten, sondern strukturierte Einheit voller Charme und dem Gespür für Mendelssohns ästhetischen Anspruch.

Folgerichtig steht Psalm 42 am Ende des Programms. Wer erinnert sich nicht an die Parallelen in "Richte mich Gott" (Psalm 43)? Der Wechsel von Chor, Solo-Sopran, Solo und Männerchor (Quintett "Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte") spiegelt treffend die Gebetstiefe. Nur im Quintett gab es wenige Intonationstrübungen, ansonsten war alle ein Musizieren aus einem Guss. Die Sinfonietta hat sich wiederum als zuverlässiger Partner des Philharmonischen Chores bewährt. Die Tradition gemeinsamer Projekte trägt überzeugende Früchte.

Stephan Becks Eltern, aber auch die Münstergemeinde und die Gmünder dürfen stolz sein auf den naht- und bruchlosen Übergang: Das Debut Stephan Becks ist geglückt. Der lange Beifall sprach beredt dafür.


Ein Hochgenuss

Mendelssohn-Psalmen im Gmünder Münster


"Herrlich! Das hätte man nicht besser singen können!" Am Samstag war im Schwäbisch Gmünder Heilig-Kreuz-Münster aus den Kirchenbänken ein überzeugtes Unisono zu hören: Der Philharmonische Chor Schwäbisch Gmünd hatte ein hervorragendes Konzert gegeben. Unter der Leitung von Stephan Beck, begleitet von der Sinfonietta Tübingen standen Psalmvertonungen von Mendelssohn Bartholdy auf dem Programm.
Nicole C. Merz, Gmünder Tagespost vom 19.10.2009

Als Eröffnungspsalm hatte man sich für op51. "Da Israel aus Ägypten zog", entschieden. Bei diesem Auftakt konnte der Chor gleich zu Beginn seine Präzision in Dynamik, Einsatz und Artikulation unter Beweis stellen. Vom Unisono über Tutti aus ineinander verwobenen Sangeslinien bis hin zum Wechselspiel zwischen den Stimmlagen bot diese Komposition Herausforderungen an die Sänger. Sie wurden mit Bravour gemeistert, auch dank eines einfühlsamen Dirigenten. Stephan Beck führte seine Musiker souverän durch die anspruchsvolle Partitur. Ein weiterer, rein chorisch vertonter Psalm war op. 111 "Tu es Petrus" (Du bist Petrus). Als kongeniale Begleitung erwies sich die Sinfonietta Tübingen. Perfekt auf den Chor abgestimmt gestaltete sie Mendelssohns Tonmalerei aus. So wanderte eine unruhige Grundbewegung durch die Instrumentengruppen, ähnlich einem Plätschern, während der Chor von Gewässern sang. An anderer Stelle erzeugte das Zupfen von Celli und Kontrabass den Eindruck von Schritten, passend zum Thema Laufen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde der Oboe im Psalm 42, "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser" zuteil. Weich im Ansatz, aber selbstbewusst trat sie aus dem Orchesterklang hervor. Kunstvoll verwob sich der Klang mit der Stimme von Ines Lex. Die Sopranistin war das Juwel des Abends - bestens durch Chor und Ensemble in Szene gesetzt. Mit glockenreiner, jugendlicher Stimme klagte und jubilierte sie, sehnte sich und hoffte. Sie war das schutzbedürftige Kind aus Psalm 55, "Hör mein Bitten", und die Klagende aus op. 42. Besonders reizvoll: Das Quintett. Zweifel und Zuversicht: Während im vierstimmigen Männersatz unbeirrbares Gottvertrauen erklang, besang Ines Lex die betrübte Seele. Männerchor und Solosopran vereinten sich schließlich, ohne ihre Standpunkte auszugeben.