Ein tief berührendes Konzert in der Sagrada Familia
Bericht von Bernhard Fauser in der Remszeitung vom 11.10.2018
Der Philharmonische Chor war auf Konzertreise in Barcelona -
Die Stimmbildnerin Anna Escala hatte die Kontakte vermittelt
50 Mitglieder des Philharmonischen Chores Schwäbisch Gmünd flogen nach Barcelona um unter Leitung von Stephan Beck in drei berühmten Kirchen zu musizieren. Anna Escala, die aus Barcelona stammende Stimmbildnerin, hatte die entscheidenden Kontakte vermittelt und so konnten die Sängerinnen und Sänger in der Klosterkirche Montserrat, in der Sagrada Familia und in Santa Maria del Pi im Gotischen Viertel der katalanischen Hauptstadt auftreten. Zahlreiche Zuhörer bedankten sich an allen drei Konzertorten mit herzlichem Applaus bei den Gästen aus Schwäbisch Gmünd.
Die Gmünder wurden in der "Sagrada Famiia", dem Wahrzeichen Barcelonas, vorbei an Tausenden von Touristen, durch einen Seiteneingang in den Probenraum neben der Krypta geschleust, wo Stephan Beck bereits mit dem einheimischen Streichquartett und dem amerikanischen Organisten probte. "Wenn das so gute Leute sind, reicht uns zur Begleitung eine kleine Besetzung", sagte Stephan Beck und so war es tatsächlich kein Problem, sich mit den aufmerksamen Instumentalisten musikalisch zusammenzufinden. Trotzdem gab es nun eine intensive Arbeitsprobe, immer wieder begleitet von einem tiefen Grollen - die Metro fährt unter der riesigen Kirche durch und ist in der unterirdischen Krypta deutlich zu hören und zu spüren.
Unmittelbar nach der Probe brachte der Bus die musikalische Reisegruppe zum 1025 gegründeten Benediktinerkloster Montserrat, etwa 50 Kilometer von Barcelona entfernt spektakulär in den Bergen gelegen. Dort, in der wohl bedeutensten Wallfahrtsstätte Kataloniens, hatten die Gmünder ihren ersten Auftritt. Direkt unter der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Mariendarstellung "Unsere liebe Frau von Montserrat" im Volksmund "La Morenata" ("die Braune") genannt, kamen die Motette "Lobet den Herrn alle Heiden" BWV 230) von Johann Sebastian Bach und das "Magnifikat B-Dur" von Francesco Durante, einem Zeitgenossen Bachs, zu Gehör.

Die Sopranistin Anna Escala und die Chorsolisten Elisa Freier (Mezzosopran), Frederic Ackermann (Tenor) und Andreas Glass (Bass) übernahmen die Solopartien in dem Werk Durantes. Das Magnificat, der Lobgesang Marias, spielt ja gerade in der Marienverehrung eine besonders große Rolle, und so fanden die Ausführenden in den vielen Pilgern, die zuvor an der Marienfigur vorbeidefiliert waren, eine ergriffene Zuhörerschaft.
Besondere Rührung löste aber das Lied "El Cant dels Ocells" ("Das Lied der Vögel") aus: Der berühmte Cellist Pau Casals (gestorben 1973) hat diese Melodie zu einer heimlichen katalanischen Nationalhymne gemacht. Die Melodie, ursprünglich ein Weihnachtslied, wurde zum Symbol des Widerstandes gegen Faschismus und Unterdrückung. Der Philharmonische Chor sang es in einem ergreifenden Arrangement des Stuttgarter Komponisten Jan Kopp für Chor und Streicherbegleitung im Wechsel mit Anna Escala, der dieses Lied in ihrer Muttersprache am Herzen liegt und das sie besonders innig interpretierte.
Der Tag ging mit einem weiteren Höhepunkt zu Ende: Aus den Ausführenden wurden Zuhörer, als sie im "Palau de la Musica Catalana" diesem großartigen Bau des "Modernisme", in einem Klavierabend mit dem berühmten Pianisten Sir Andras Schiff die Interpretation von Bachwerken auf allerhöchstem Niveau erleben durften.
Die Sagrada Familia, dieses gigantische von Antoni Gaudi begonnene Bauwerk geht wohl in den nächsten Jahrzehnten seiner Vollendung entgegen. Bislang finden allerdings nur am Altar der Krypta regelmäßig Gottesdienste statt, und zwar im Wechsel in spanischer und katalanischer Sprache. Die musikalische Gestaltung des katalanischen Gottesdienstes durften die Sängerinnen und Sänger aus Schwäbisch Gmünd mit ihren katalanischen Begleitern übernehmen, was als besondere Auszeichnung angesehen werden muss.

Und so musizierte man direkt neben dem Grab des großen Architekten Antoni Gaudi für eine aufmerksame Gemeinde. Die Krypta erwies sich als ein Raum mit ausgezeichneter Akustik, fast wie in einem Konzertsaal, was ebenfalls dazu beitrug, dass die Mitwirkenden diesen Auftritt als ein tief berührendes Erlebnis empfanden. Der freundliche Priester bat Anna Escala, seine kurze Predigt und auch seine Dankesworte nach einer sehr gelungenen Darbietung ins Deutsche zu übersetzen. Die Gottesdienstbesucher hatten lange stehend applaudiert.
Der Samstag brachte zunächst Besichtigungen, die meisten Mitreisenden hatten sich für die Casa Battló entschieden, ein von Gaudi entworfenes Glanzstück der Architektur Barcelonas. Am Nachmittag galt es sich mit der äußerst schwierigen Akustik der großen Kirche Santa Maria del Pi im Herzen der Stadt vertraut zu machen.
Stephan Beck musste hier die Tempi gegenüber dem Vortag stark reduzieren, vor allem die Koloraturen bei der Bach-Motette drohten bei langem Nachhall zu verschwimmen. Natürlich bekam der versierte Kirchenmusiker auch diese Schwierigkeit in den Griff und so wurde auch der letzte Auftritt im Gottesdienst am frühen Abend zu einem vollen Erfolg. Stephan Beck ließ es sich anschließend nicht nehmen, auf der Orgel der riesigen Kirche zu spielen; der Münsterorganist war einigermaßen verwundert, dass dieses Instrument wegene Geldmangels unvollendet geblieben war.

Auch der letzte Abend in Barcelona ging mit einem Highlight zu Ende: Viele der Gmünder Sängerinnen und Sänger ließen sich von den bunten Wasserspielen mit Musik auf dem einstigen Weltausstellungsgelände zwischen Plaza Espana und Nationalmuseum begeistern. Der Sonntag konnte nochmals entspannt für Besichtigungen genutzt werden.
Im Rückblick war man sich im Chor einig: Die Stadt an sich war eine Reise wert, aber vor allem die drei Auftritte in berühmten Kirchen waren Erlebnisse, die man nie vergessen wird. Schließlich trug das völlig reibungslose, harmonische Miteinander in der Reisegruppe wesentlich zum Gelingen der Tage in Barcelona bei.