Konzert der Extraklasse im Münster

Kritik Gmünder Tagespost 30.04.2018


Kirchenmusik Der Philharmonischer Chor unter Stephan Beck führt gemeinsam mit Solisten und Orchester Mozarts Requiem im Heilig Kreuz Münster Schwäbisch Gmünd auf. Von Gise Kayser-Gantner



Mit einem besonderen Arrangement überraschte die Sinfonietta Tü4tett das Publikum im Heilig Kreuz Münster in Schwäbisch Gmünd. In der Mitte des Kirchenschiffs war eine Bühne über vier Kirchenbankreihen aufgebaut, auf dem das Quartett Platz nahm und den ersten Konzertteil hören ließ: Joseph Haydn, Streichquartett f-Moll. Ein besonderes Hörerlebnis, wie es in der Vorankündigung hieß.


Ein bisschen unbequem für jene Zuhörer, die im vorderen Teil des Münsters saßen und gerne den Spielern zuschauen. Sie mußten nach hinten blicken. Aber für jene, die sich allein der Musik hingaben, war es perfekt. Das Quartett, das sich aus den Stimmführern für Violine, Viola und Violoncello zusammensetzt, brachte, obwohl eine ernste, schwermütige Grundstimmung im Werk vorherrscht, eine gewisse Leichtigkeit in das Münster.


Joseph Haydns Streichquartett f-Moll zeigt eine Verbindung zu Werken anderer Komponisten. Ein Thema aus der Kontrapunktik ist bereits im "Messias" von Georg Friedrich Händel zu finden. Im zweiten Konzertbeitrag, Mozarts Requiem, wird das Thema in der Kyrie-Fuge verwendet. Es gab reichen Applaus für den wunderbaren Auftakt des Konzerts.


Das zweite Werk des Programms, das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart, ist sein letztes Werk. Er starb vor der Vollendung. Doch mithilfe seiner Freunde und Schüler wurde es vollendet. Die ersten acht Takte des Lacrymosa waren die letzten die Mozart selbst geschrieben hat. Ungewöhnlich der Klang des Requiems. Mozart setzte neben Streichern, Trompeten, Posaunen und Pauken auch Fagotte ein. Damit erhält das Werk eine eher dunkle Grundstimmung, voll Angst des Sünders vor dem Jüngsten Gericht und der Bitte um Erlösung.


Ein besonders schönes Erlebnis waren die Stimmen von Sopran und Alt. Bereits beim Festival der Europäischen Kirchenmusik 2016 fielen die vollen warmen Stimmen von Silke Evers, Sopran, und Sonja Koppelhuber, Alt, auf. Ergänzt durch den Tenor Martin Platz und André Morsch, Bariton. Als Quartett brachten sie einen wunderbaren Zusammenklang.


Die Aufführung vom Philharmonischen Chor und der Sinfonietta war von Präzision, einfühlsamer Intonation und herrlichem Klang geprägt. Unter dem Dirigat von Kirchenmusikdirektor Stephan Beck bewiesen alle Mitwirkenden ihre ausgezeichnete Schulung.




Eine leidenschaftliche und erhabene Aufführung



Kritik Remszeitung 02.05.2018


Philharmonischer Chor im Münster mit dem "Requiem" von Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydns Streichquartett f-moll



Musik der Wiener Klassik stand auf dem Konzertprogramm des Philharmonischen Chors am Samstagabend: das "Requiem" von Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydns Streichquartett f-Moll.


Von Julia Berkenhoff


Konzert. Im Heilig-Kreuz-Münster war das Interesse des Publikums sichtlich groß: Schließlich hatte der künstlerische Leiter Stephan Beck zu seinem stimmstarken Chor erneut als Orchester die vertraute und in der Zusammenarbeit bestens bewährte Sinfonietta Tübingen engagiert. Auch unter den Solisten waren aus früheren Projekten bekannte Namen zu lesen. Die Klanglichkeit des Abends reichte vom intimen Spiel eines Streichquartetts hin zum erhabenen, blechbläserstarken Fortissimo von Chor und Orchester, also von gut 100 Beteiligten.


Das Requiem in d-Moll von Wolfgng Amadeus Mozart und den Ergänzungen Franz Xaver Süßmayrs ist mit seiner Dauer von knapp 1 Stunde kein abendfüllendes Werk, eine konzertante Aufführung verlangt daher meist einen Zusatz. Dieser muss sich intentional oder musikalisch mit den Klängen und Texten der Totenmesse verbinden, um beiden Werken gerecht zu werden.


Beck hat dem Requiem das Streichquartett f-moll op. 20/5 von Joseph Haydn vorangestellt. Die Auswahl des Quartetts erwies sich in mehreren Aspekten gelungen: Natürlich durch die Tonsprache der Wiener Klassik, aber auch durch die vorherrschende Molltonart und die Motivik des letzten Satzes, der auf das Kyrie des Requiems vorgriff.


Die Ausführung des kammermusikalischen Werks in einem großen Kirchenraum wie dem Münster war dagegen eine gewagte Idee. Thomas Haug (Violine), Walter Töws (Violine), Claudia Rink (Viola) und David Raiser (Violoncello), die Interpreten des Quartetts, waren dazu auf einem Podium links neben dem Mittelgang in der Mitte des Hauptschiffs platziert, um das Publikum bestmöglichst zu erreichen und keinen Klang im Chorraum zu verlieren.


Die vier spielten sich im ruhig genommenen ersten Satz recht schnell auf die neue, publikumsgefüllte Akustik ein, kosteten die schmerzlichen Vorhalte aus und verliehen den Passagen in Dur Wärme. Ihr Pianissimo, das sich geheimnisvoll im gotischen Hallenbau verlor, wirkte wie ein mahnendes Memento Mori, die Kraft eines Fortes kam dagegen kaum zu Geltung. Dadurch büßten die Bassmelodien vor allem des zweiten Satzes zwar an Ausdruck ein, die Instrumentalisten nutzten dafür die Effekte der leisen Töne, meist durch die Terassendynamik optimal, jeder Zuhörer musste die Ohren spitzen. Das pulsierende Siciliano, des dritten Satzes, hatte tröstlichen Charakter, ehe die abschließende Fuga à 2 Soggetti sich erneut dramatisch entwickelte. Einerseits durch die spannungssteigernden Trugschlüsse - erneut waren die höheren Stimmen in der Akustik im Vorteil, sie zeichneten klarer als Bratsche und Cello.


Becks Interpretation diente Text, Musik und Ausdruck


Es war wohl die erste Aufführung eines Streichquartetts im Heilig-Kreuz-Münster - ob sich klanglich eine Wiederholung lohnt, muss sorgsam durchdacht werden. In der Intention war man jedoch auf das Requiem mit der herbeigeführten ernsten Feierlichkeit bestens eingestimmt.


Dort hinein führte Beck die lamentierenden Fagotte und Bassethörner zu den nachschlagenden Streicherakkorden in flüssigem Tempo bis zum Choreinsatz nach den Blechbläsern


Das Zusammenspiel zwischen Orchester und Chor brauchte auch hier nur kurz bis die dynamische Feinabstimmung von der Probensituation in leerem Münster zur ausdrucksstarken Konzertdarbietung wechselte.


Die stets aufmerksamen Musiker der Sinfonietta Tübingen nahme sich in der Begleitung die nötige Nuance zurück, um dem Chor Raum zu lassen und in sinfonischen Passagen erneut hervorteten zu können. Der Philharmonische Chor war in seinen Stimmen wunderbar ausgewogen, sowie dynamisch und artikulatorisch flexibel und ausdrucksstark in den klanglichen Gegensätzen.


Soprane und Tenöre führten die Fortepassagen an, die Bässe stützten präsent und die Alti konnten die für ihre Lage ungünstige Akustik überwinden und den Gesamtklang harmonisch ergänzen. Das Kyrie formte Beck durch das Nonlegato schlank und durchscheinend, die crescendi führte er bebend in die Höhe. Seine Interpretation diente Text, Musik und Ausdruck und der Chor setzte das Dirigat leidenschaftlich um.


Das Solistenquartett erwies sich hervorragend aufeinander abgestimt: Bass André Morsch sang seinen ersten Einsatz zu Tuba mirum expressiv, auswendig und behauptete sich trotz unterschiedlicher Obertonstruktur gegen die Soloposaune. Der mit Coget omnes einsetzende Martin Platz ließ seinen hellen, schönen und leichtfüßigen Tenorklang erstrahlen. Silke Evers (Sopran) und Sonja Koppelhuber (Alt) komplettierten das Solistenquartett mit ihren präsenten und vordersitzenden Stimmen, mischten sich mit den Männerstimmen zu einem in sich ausgewogenen Ensemble, das man auch im Recordare und Benedictus ausgiebig genießen konnte.


Chor, Orchester und Solisten boten eine überzeugende Darbietung mit mehr als nur einem Gänsehautmoment: Aus dem runden Forte von Rex tremendae kommend, glitzerte das Salva me im Piano in klar, schöner Höhe wie frischer Tau. Einen ähnlichen Effekt erzeugten die Sängerinnen der letzten Reihe (man hatte sich schon gewundert, warum einige der Frauenstimmen ganz hinten platziert waren, während die Männerstimmen einen rautenförmigen Block in der Mitte bildeten) bei Voca me im Confutatis als klangschöner Fernchor. Mozarts Musik verlangte ein flexibles Changieren aller in Ausdruck, Phrasierung und Artikulation - was die Ausführenden durchweg umsetzten.


In der abschließenden Communio schloss sich der Kreis mit der Wiederkehr des Anfangs - Beck nutzte die Gelegenheit, noch mehr Intensität in das Et Lux perpetua zu legen und nach tief empfundenem Trugschluss und Generalpause das Werk groß zu beenden.


Punktgenau mit dem Abschlag begannen die Glocken aus dem benachbarten Glockenturm kurz ein volles Geläut, während Beck die Arme erhoben ließ um den Applaus der den ergriffenen Zuhörern auf den Handflächen juckte, zum Gedenken an die Verstorbenen noch hinauszuzögern. Im Anschluss daran war dem Beifall für die Leistung aller beinahe kein Ende gesetzt: Das Publikum bedankte sich ausgiebig für das musikalische Geschenk, das ihm beschert worden war.